2005-12-01
Aus vielen arbeitsmedizinischen Untersuchungen ist bekannt, wie unfallträchtig eine Übermüdung ist. Längst sind daraus auch Konsequenzen für das Verkehrsrecht gezogen worden. Viele Krankenhausverwaltungen scheinen Ärzten jedoch eine halbgottgleiche Resistenz gegen die Folgen der Übermüdung zuzutrauen. Sonst wären Untersuchungsergebnisse, wie sie von Barger et al.01 präsentiert worden sind, wohl schwerlich möglich. Besonders bemerkenswert: Die Erhebungen wurden bei jungen Ärzten in den ersten Jahren ihrer Krankenhaustätigkeit durchgeführt, also in einer Gruppe, der eine Bewältigung des Schlafdefizits noch eher zugetraut wird als älteren. Die hier in zwei Abbildungen zusammengefassten Ergebnisse können nicht wirklich überraschen.
Abb. 1: Häufigkeit von Unfällen auf dem Heimweg nach einem Dienst von bis zu 24 Stunden oder mehr, die zu einer Einlieferung ins Krankenhaus führten, polizeilich aufgenommen wurden und/oder einen Schaden von mehr als 1.000 Dollar verursachten.
Noch drastischer waren die Unterschiede bei der Häufigkeit von Beinaheunfällen, definiert als Ereignisse, bei denen ein ernsthafter Unfall gerade noch abgewendet werden konnte. Beachten Sie den veränderten Maßstab der y-Achse!
Abb. 2: Häufigkeit von Beinaheunfällen auf dem Heimweg nach einem Dienst von bis zu 24 Stunden oder mehr.
Die Ärzte hatten im Durchschnitt 70,7 Stunden pro Woche im Krankenhaus verbracht, davon 67,4 Stunden wach. Da nur etwa 8% eine 40-Stunden-Woche hatten, dürften die meisten auch nach einer Arbeitszeit von unter 24 Stunden den Heimweg übermüdet angetreten haben.
Abb. 3: Häufigkeit von Einschlafen oder Einnicken am Steuer bei der Heimfahrt während des Fahrens oder, wenn der Verkehr zum Stillstand gekommen war, jeweils in Abhängigkeit von der Häufigkeit langer Dienste von mehr als 24 Stunden im Monat
Abb. 3 zeigt eindrucksvoll, welche Folgen ein anwachsendes Schlafdefizit auf die Gefährdung im Straßenverkehr hat.
Alle hier gezeigten Unterschiede waren statistisch signifikant.
Unter Übermüdung leidet natürlich auch vor der Heimfahrt die Qualität der ärztlichen Arbeit im Krankenhaus. Auch dazu gibt es bereits überzeugende Untersuchungsergebnisse.
Warum wir das hier referieren: Auch in Hessen gibt es noch Krankenhausverwaltungen, die Ärzten Marathondienste zumuten, mit Folgen, die nicht nur für die Patienten im Krankenhaus, sondern auch für die Verkehrsteilnehmer um das Krankenhaus herum verhängnisvoll sein können.
Lesen Sie dazu auch zur Wirkung einer Übermüdung wie eine Alkoholisierung aus einer weiteren Studie: Dienst ist Schnaps: Marathondienste beeinträchtigen Leistungsfähigkeit wie Alkohol und eine Satire …
Archivierung einer nicht mehr zugänglichen statischen Webseite des Marburger Bundes Landesverband Hessen (mbhessen.de/aktuell/unfaelle.htm)
Letzte Überprüfung: 2018-06-27
01 https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa04
1401 | kuni.org/to/8LDb