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Prof. Dr. Verena Kuni  M. A.

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Cyborg-Configurationen als Formationen und Imaginationen der Partikularisierung

Vortrag | Lecture
im Rahmen des Kongresses "Schöner Neuer Mensch" Deutsche Gesellschaft für Ästhetik im Sprengel Museum Hannover, 08.-10.09.2005

Cyborgs – so genannte "kybernetische Organismen", Mischwesen aus Maschine und Organismus – haben seit einigen Jahren Hochkonjunktur. Anfangs noch vornehmlich als Science-Fiction-Fantasie in der Nachfolge des alten Menschheits-Traums von der Erschaffung künstlicher Menschen bzw. einer Schöpfung mit den Mitteln von Wissenschaft und Kunst verhandelt, sind Cyborgs in den vergangenen Jahren zunehmend zu paradigmatischen Figurationen für eine gegenwärtige sich formierende, neue 'conditio humana' avanciert. Zweifelsohne haben dazu die Entwicklungen im Bereich der Informations- und Biotechnologien entscheidend beigetragen, deren Konsequenzen Donna Haraway bereits Mitte der achtziger Jahre in zwei zentrale Paradigmen gefasst hat: Den "Zusammenbruch entscheidender Grenzziehungen" – derjenigen nämlich zwischen Mensch und Maschine sowie derjenigen zwischen Mensch und Tier – und die "Übersetzung der Welt in ein Kodierungsproblem".
Beide beschreiben Prozesse der Partikularisierung und deren Effekte, wie ihnen mittlerweile in der Tat allenthalben in einer technologisch geprägten Lebenswirklichkeit zu begegnen ist. Das gilt nicht nur für einzelne Bereiche der Wissenschaften, deren Vorstöße die populären Debatten ebenso bestimmen wie sie einschlägige Phantasmen nähren: Gentechnologie und Nano-Technologien versprechen, kleinste Einheiten des Organismus operabel zu machen; Netzwerkmodelle erfreuen sich sowohl in den Neurowissenschaften wie auch in der Ökonomie und der Soziologie größter Beliebtheit.

Was genau bedeutet dies für ein Menschenbild, das sich an Prozessen der Partikularisierung orientiert? Viele der Visionen vom "neuen Menschen", wie sie in den Künsten und in der Populärkultur entworfen werden, erscheinen bei genauerem Hinsehen alles andere als "neu", sondern lassen sich vielmehr bestens in der Bildtradition des klassischen Science- und Horror-Fiction-Genres verorten. Ihre Konjunkturen markieren mithin so etwas wie das Unbehagen an einer Kultur, die den angesprochenen Prozessen der Partikularisierung bzw. "Cyborgisierung" zunehmend Positives abgewinnen zu können scheint – dabei aber der Historizität des utopischen Horizonts, vor dem sie die Realisierung ihrer Zukunftsentwürfe ansteuert, weitgehend unbewusst bleibt oder diese sogar aktiv verdrängt.
Zugleich ist zu beobachten, dass Vorstellungen, die vormals als Horror-Visionen gehandelt wurden, in jüngerer Zeit auch den Charakter von Heilsversprechen annehmen können. Etwa die prinzipielle Disponibilität der Konturen von Körper und Persönlichkeit: Einzelne Körperteile werden ebenso wie die psychische Kondition als nach (scheinbar) beliebigen Wunschvorstellungen manipulierbar und korrigierbar betrachtet; der Imperativ der Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und Mobilität lassen die "Patchwork-Identität" als Ausweis des modernen Arbeitnehmers erscheinen, der sich mit ihr zu profilieren weiß.

Welche Position kommt nun angesichts einer solchen "Umwertung der Werte" dem Science Fiction zu? Nimmt er in dem Moment, da seine Visionen von der Wissenschaft und von den Technologien, die sie entwickelt und derer sie sich bedient, eingeholt und überholt werden, den Ort des Mythos ein und übernimmt er demzufolge Funktionen, die vordem in unserer Kultur die Mythologie besessen hat? Oder wäre es möglich, dass er schon immer eine Schnittstelle zwischen Mythos und Utopie bildet und deshalb für Reflexionen gesellschaftlicher Transformationsprozesse mit noch offenem Ausgang besonders geeignet ist, weil er in seinen Imaginationen Vergangenes und Vergehendes ebenso wie Zukünftiges wortwörtlich zu vergegenwärtigen vermag?
Vor diesem Hintergrund möchte der Vortrag auf Cyborg-Configurationen als Formationen und Imaginationen der Partikularisierung fokussieren. Dabei wird zunächst einmal nicht nur nach der diskursbeeinflussenden Kraft des Science Fiction-Genres zu fragen sein, sondern auch nach der diskursbeeinflussenden Kraft der aktuellen Entwicklungen im Bereich der Bio- und Informationstechnologien auf die Imaginationen vom "neuen Menschen", wie sie im Genre des Science Fiction-Films ebenso wie in anderen Bereichen der kulturellen Produktion und namentlich in den Künsten begegnen, die auf dieses Genre rekurrieren. Die Einbindung beider Blickrichtungen in eine kunst-, medien- und wissenschaftshistorische Perspektive soll es dann ermöglichen, am Beispiel ausgewählter Bilder aus Film, Literatur und Kunst zusammen mit der Ästhetik und Metaphorologie von Prozessen der Partikularisierung auch deren prekäre Potentiale einer differenzierten Diskussion zuzuführen.

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