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interfiction VI: i.fiction. Entwürfe und Wirklichkeiten von 'Identität' in den elektronischen Medien

Einführungsvortrag und Leitung der interdisziplinären Fachtagung interfiction im Rahmen des Kasseler Dokumentarfilm- und Videofests, dock4, Kassel, 17.11.-21.11.1999

Die rasante technologische Entwicklung der vergangenen Jahre hat dazu geführt, daß nicht nur Computer, sondern auch Netzwerke Einzug in unseren Alltag gehalten haben und unsere individuellen Erfahrungen wie auch unsere sozialen Interaktionen zunehmend mitbestimmen. Potentiell sind Internet und World Wide Web damit zu Medien geworden, über die das ›Ich‹ nicht nur Verbindungen zur Außenwelt aufnehmen, sondern auch sich selbst zur Welt in ein Verhältnis setzen und damit als ›Ich‹ verstehen – und gegebenenfalls neu verstehen kann. Was bedeutet ›Identität‹ im Zeitalter der elektronischen Medien?

Auf der einen Seite stehen jene Utopien und Visionen, wie sie auch wesentlich zum Entstehen des ›Mythos Internet‹ beigetragen haben: Im Netz, so heißt es, ist es jedem überlassen, mit vielfältigen Möglichkeiten von Identität zu experimentieren, sich eine neue Identität zu erschaffen, oder sich – im Extremfall – sogar zu ›verlieren‹. Doch sollte es uns wirklich gelingen, im Netz jenseits und vollkommen unabhängig von jenen individuellen Bedingtheiten und gesellschaftlichen Normierungen zu agieren, die unser Leben im Diesseits unserer körperlichen und sozialen Existenz bestimmen? Und kann eine solche ›posthumane Identität‹ überhaupt in unserem Interesse sein?

Dem Ideal eines freien, vernetzten Individuum steht das Szenario des ›gläsernen Menschen‹ in einem Überwachungsstaat gegenüber, dessen Bewegungen in einem nur scheinbar grenzenlosen Terrain gezielt verfolgt und nachvollzogen werden können. Die von ›unsichtbaren‹ Agenten gesammelten Daten geben Einblick in die Privatsphäre und das Persönlichkeitprofil. Die scheinbar anonymen Netzreisenden werden so zu ›berechenbaren‹ Subjekten, deren Konsumbedürfnisse gezielt gelenkt und mögliche politische oder soziale Devianzen um so leichter kontrolliert werden können. (Un)-mündige Bürger führen ihren Identitätsnachweis über die Nummer ihrer Kreditkarte, um auf der Einbahnstraße des ›electronic highway‹ Kolonne zu fahren – in eine schöne neue Welt, deren einziges Versprechen von Individualität das persönlich zusammengestellte Pay-TV-Programm und eine über ›interactive shopping‹ ausgewählte Garderobe sind. Aber wie könnte demgegenüber eine alternative Netzumwelt aussehen, die uns nicht nur einen selbstbestimmten Zugang zu (Informations-)Ressourcen gewährt, sondern darüber hinaus auch Freiräume zur Entwicklung und Entfaltung, vielleicht sogar Tools zur Gestaltung unserer Persönlichkeit(en) zur Verfügung stellt?

Entsprechend scheinen sich Entwürfe und Wirklichkeiten von Identität in den elektronischen Medien zwischen extremen Polen zu bewegen: Auf der einen Seite steht die ›elektronische Einsamkeit‹ der einzelnen NetzteilnehmerInnen am heimischen PC, auf der anderen ein zunehmender Drang nach ›weltweiter‹ Selbstveröffentlichung. Für Viele weit mehr als eine schlichte Visitenkarte, kann schon die Homepage zum Vehikel alternativer Welt- und Selbstentwürfe werden.

In den Kommunikationsräumen des Netzes – wie MUDs oder Chatrooms – tummeln sich unzählige ›Ichs‹ hinter dem Schutzschild einer Avatar-Identität. Die Konstruktion einer solchen Netz-›Persona‹ mittels Maskerade erlaubt es, in verschiedenste Rollen zu schlüpfen oder gar ›multiple‹ Persönlichkeiten anzunehmen. Aber führt dies tatsächlich auch dazu, dass NetzteilnehmerInnen, die hier spielerisch Identitäten entwerfen und erproben, jenseits tradierter Machtverhältnisse und Geschlechterrollen agieren? Schliesslich müssen wir uns über Eines immer im Klaren sein: An jeder Tastatur, an jedem Computer, auf denen Fiktionen von Selbst und Welt formuliert und hinter jeder ›Netzidentität‹, über die sie transportiert und kommuniziert werden, steht ein Mensch, der in einer individuellen und sozialen Realität verankert ist.

Vor diesem Hintergrund werden im Zentrum von i.fiction Fragen der Konstruktion, Konstituierung und Kritik von Subjekt- und Identitätsbegriffen im Kontext elektronischer Medien stehen. Um die gesellschaftlichen und kulturellen Dimensionen des Umgangs mit neuen Technologien in ihrer Bedeutung nicht nur als Informations- und Kommunikationssysteme, sondern vor allem als Signifikations- und Repräsentationssysteme, die mithin wesentlich an der Herstellung von Realität beteiligt sind, zu erfassen, bedarf es eines Instrumentariums, das geeignet ist, Prozesse der Bedeutungsproduktion und der Subjektkonstituierung zu analysieren (vgl. Susanne Lummerding, agency@, in: Springerin IV/1 1998). Welchen Beitrag können künstlerische und theoretische Interventionen in diesem Zusammenhang leisten? Inwieweit sind sie geeignet, ein solches Instrumentarium bereitzustellen – während sie zugleich immer auch selbst an Prozessen der Bedeutungsproduktion und der Subjektkonstituierung beteiligt sind?

Hintergrundinformationen | Background Information:

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