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Prof. Dr. Verena Kuni  M. A.

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"Why Have There Been No Great Cyberfeminist Net.Artists?" Überlegungen zu Nutzen und Nachteil der Legende von der cybefeministischen Netzkünstlerin

Vortrag im Rahmen der 7. Kunsthistorikerinnen-Tagung, Schwerpunktthema "Gender & Medien", Berlin, 26.09.-29.09.2002

In der Diskussion um das Verhältnis von Cyberfeminismus und Kunst bzw. um die Frage nach einer cyberfeministischen Kunst dominieren derzeit Argumentationen, die aus der Perspektive der feministischen Kunstgeschichte seltsam vertraut anmuten. Fokussiert wird in diesem Zusammenhang vor allem auf den engen Konnex zwischen Körper und Geschlecht, der im Zeitalter seiner digitalen (Re-)Produzierbarkeit gerade unter Netzbedingungen zu einem zentralen Thema zeitgenössischer Kunstproduktion geworden ist. Wo Cyberfeministinnen nicht pauschal als Avantgarde einer "Feminisierung des Cyberspace" und "Bad Grrls" der Netzkultur kolportiert werden, so wird von ihnen doch wenigstens eine kritische Auseinandersetzung mit der Repräsentation von "Weiblichkeit" in den elektronischen Medien erwartet; und insofern Bio- und Reproduktionstechnologien immer auch als "Technologien des Geschlechts" gelesen werden können, scheint ausgemacht, dass sich dieser Komplex für Künstlerinnen, die als "Frauen" zugleich spezifisch Betroffene seien, als bevorzugter Gegenstand anbiete.

Dementsprechend konzentriert sich die Frage nach einer "cyberfeministischen künstlerischen Praxis" mitunter auf exemplarische Subjekte "cyberfeministischer Künstlerinnen", die sich mit einschlägigen Arbeiten in diesem Sektor etabliert haben. Als "Ausnahmekünstlerinnen" stellen sie allerdings alles andere als Ausnahmen von den Regeln der Institutionalisierung netzbasierter Kunstpraxis dar. Denn "Netzkunstgeschichte" wird mittlerweile ebenfalls als "Netzkünstlergeschichte" geschrieben und unter Rückgriff auf bewährte rhetorische Figuren wie diejenige der Avantgarde, der Abstraktion oder der "Kunst über Kunst" bruchlos in die traditionellen (Meister-) Erzählungen eingefügt.
Zwar werden auch unter den im bzw. mit dem Internet und dem World Wide Web arbeitenden KünstlerInnen selbst Kontroversen um Autorschaftspositionen und Produktionsmodelle ausgetragen: Während die einen die Adaptation an etablierte Strukturen des Kunstbetriebs wie an die Konventionen der Kunstgeschichte bewusst propagieren, suchen andere nach alternativen Ansätzen, für die die spezifischen Produktions- und Rezeptionsbedingungen im Netz mitunter sogar nur den Ausgangspunkt darstellen. Vor dem Hintergrund der neueren Kunstgeschichte, in der Autorschafts- und Systemkritik sozusagen zum Standardrepertoire gehören, verwundert es jedoch kaum, wenn sich letztlich beide Positionierungen gleichermassen als kompatibel mit dem Bild des "Netzkünstlers" erweisen.

Das bedeutet allerdings keineswegs, dass die entsprechende Subjektposition für Künstlerinnen und Künstler unter den gleichen Bedingungen zur Verfügung stünde. Vielmehr scheinen sich nicht nur für "die Netzkünstlerin", sondern auch für die "cyberfeministische Künstlerin" spezifische Profile herauszubilden, die einerseits eine erfolgreiche Einschreibung in die Prozesse der Institutionalisierung versprechen mögen, andererseits aber eine Festschreibung auf stereotype Vorstellungen von "Künstlerinnen" bzw. von weiblicher Autorschaft implizieren. Dabei erfährt das klassische Set traditioneller Markierungen (betr. Auseinandersetzung mit "weiblich" konnotierten Themen und Topoi wie dem Komplex Körper/Identität/Geschlecht; "weibliche Sprache/Ästhetik"; "feministische Strategien/Interventionen") medienspezifische Adaptationen, die insbesondere unter Berufung auf "den" Cyberfeminismus (sc. Donna Haraways, Sadie Plants) in neuen Mythologemen münden, und zu denen "die Cyborg" als Identifikationsfigur widerständiger Weiblichkeit ebenso zählt wie "die Cyberfeministin" als "natural born networker", als ihre weiblichen ‚soft skills' nutzende Netzwerkerin.
Zwar lassen sich beide als Variationen auf jene charismatischen Figurationen lesen, die längst nicht nur in futuristischen Techno-Utopien, sondern auch in soziologischen und ökonomischen Diskursen eine prominente Rolle spielen und auf die nicht zuletzt auch aktuelle Debatten um Subjekt-, Autorschafts- und Produktionsbegriff, die in der zeitgenössischen Kunst- und Kulturtheorie geführt werden, in ihren Rhetoriken bevorzugt rekurrieren. Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Institutionen des kulturellen Feldes nach wie vor an traditionellen Subjekt- , Autorschafts- und Produktionsbegriffen orientieren.

Führt die ‚liason dangereuse' stereotyper Lesarten von Cyberfeminismus und sattsam bekannten Formeln, mit denen Künstlerinnen und ihrer Produktion ein Sonderstatus zugeschrieben wird, letztlich also lediglich dazu, dass sich misogyne Mechanismen und Machtstrukturen des Betriebssystems Kunst(geschichte) unter Netzbedingungen um so leichter reinstallieren lassen? Oder wären – wie demgegenüber gern suggeriert – "cyberfeministische Künstlerinnen" tatsächlich prädestiniert, die Speerspitze einer neuen, "feminisierten" Netzkultur zu bilden, die sich von klassischen Subjekt-, Autorschafts- und Produktionsmodellen verabschiedet hat?

Vor dem Hintergrund dieses Spannungsfeldes sind nicht nur Nutzen und Nachteile der "Legende von der cyberfeministischen Netzkünstlerin" kontrovers zu diskutieren, sondern es scheint darüber hinaus auch angezeigt, danach zu fragen, welche Konsequenzen und Perspektiven sich aus diesen Überlegungen für die Praxis einer medienübergreifend argumentierenden (cyber-)feministischen Kunsttheorie ergeben bzw. gewinnen lassen.

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