www.under-construction.cc

minibild

CyBorg-Entomologie. Insektenkunde zwischen Science und Fiction

Vortrag & Workshop
AG TechnoScience, Universität Freiburg, 24./25.02.2007

Mit Insekten, so sollte man meinen, haben Menschen eher wenig gemein. Hier das viergliedrige Säugetier, dort das sechsgliedrige Kerbtier mit dem chitingepanzerten Leib. Aus Menschenperspektive handelt es sich bei Insekten entweder um Nützlinge oder um Schädlinge – in jedem Fall aber um "die Anderen". Fremde und etwas seltsame Wesen, die faszinieren oder Ekel hervorrufen.
Wohl gerade deshalb sind Insekten jedoch auch seit je ein kulturelle Projektionsfläche, die auf vielfältige Weise bespielt werden kann und je nach den historischen, ethischen, ästhetischen und politischen Interessen, die den Projektionen zu Grunde liegen, auch sehr unterschiedlich gestaltet wird. Auch sind es sowohl einzelne Insektenarten, die bevorzugt solchen Projektionen unterliegen – allen voran jene, mit denen den Menschen ein spezifisches Verhältnis verbindet – als auch spezifische Charakteristika, Eigenschaften und Verhaltensweisen, die besonders zu interessieren scheinen, wobei das einzelne Insekt ebenso wie ein ganzes Insektenvolk ins Visier geraten kann.
Gerade in jüngerer Zeit ist nun zu beobachten, dass der Entomologie – also der Insektenkunde – sowie Insekten allgemein, und zwar allen voran den staatenbildenden Insekten wie Bienen und Ameisen, auch seitens der populären Medien ein verstärktes Interesse entgegen gebracht wird. Im Hintergrund stehen dabei Entwicklungen im Bereich der Informations- und Biotechnologien, deren Konsequenzen Donna Haraway bereits Mitte der achtziger Jahre in zwei zentrale Paradigmen gefasst hat: Den "Zusammenbruch entscheidender Grenzziehungen" – derjenigen nämlich zwischen Mensch und Maschine sowie derjenigen zwischen Mensch und Tier – und die "Übersetzung der Welt in ein Kodierungsproblem". Aufwallendem Unbehagen schallt die Parole entgegen: Widerstand ist zwecklos! Liebe die Maschine, das Tier, das Alien in Dir!
Gleichwohl bleibt die Botschaft ambivalent. Während nämlich einerseits die Möglichkeit in Aussicht gestellt wird, von der Insektenwelt nicht nur mittelbar zu lernen, sondern auch mit Hilfe neuer Technologien bestimmte Fähigkeiten direkt zu implementieren, begegnen anderseits einschlägig von Insektoidem affizierte Horror- und Science Fiction-Phantasien. Bei näherer Betrachtung der Bilder, über die die entsprechenden Vorstellungen kommuniziert werden, erweist sich zudem, dass sowohl die positiven Utopien als auch die Dystopien seltsam vertraut erscheinen. Inwieweit handelt es sich hier also wirklich um fundamentale Veränderungen?

Diesen Komplex wird die zweitägige Block-Lehrveranstaltung sowohl in seinen gegenwärtigen Konturen als auch im Hinblick auf seine kultur- und wissenschaftsgeschichtlichen Fundamente näher zu fassen versuchen. Während am ersten Tag der Weg "Von der Alien-Anthropologie zur CyBorg-Entomologie" eingeschlagen werden soll, wird es am zweiten Tag um einen vertiefenden Blick auf das spezifische Interesse an staatenbildenden Insekten gehen. Wenn bereits am ersten Tag Fragestellungen und Perspektiven der Gender Studies eine wichtige Rolle spielen, so sollen am zweiten mit den "Königinnen" und ihrem Hofstaat insbesondere jene geschlechtsbezogenen Phantasmen in den Mittelpunkt rücken, welche nicht etwa nur populäre Vorstellungen seit je entscheidend mitbestimmen, sondern durchaus auch der Entomologie ihren Stempel aufgeprägt haben.

Die Block-Lehrveranstaltung besteht aus mehreren Einheiten, die jeweils von einem einführenden Vortrag bzw. einer Vorlesung eingeleitet werden. Im Anschluss besteht dann jeweils die Möglichkeit, die vorgestellten Thesen und Inhalte anhand von mitgebrachtem Material sowie unter Einbezug weiterer theoretischer Positionen vertiefend zu diskutieren.
Das Einbringen eigener Arbeiten und Projekte mit Bezug zum Spannungsfeld Technoscience, Kultur- und Wissenschaftsgeschichte und Gender Studies, die vor- und zur Diskussion gestellt werden können, ist dabei willkommen; idealerweise sollte jedoch im Vorfeld Kontakt zur Dozentin aufgenommen werden (Kontaktadresse s. unten).
Allen TeilnehmerInnen sollte Donna Haraways "Manifesto for Cyborgs" bekannt sein; eine weiterführende Kenntnis von Grundlagentexten zur feministischen Wissenschaftsgeschichte u. -kritik sowie allgemein zur Wissenschaftsgeschichte ist von Vorteil, aber keine Teilnahmevoraussetzung. Weitere Literaturhinweise werden ebenso wie Veranstaltungsort und -zeiten im Vorfeld per Aushang angegeben.

Hintergrundinformationen | Background Information:

Forschungsprojekt Insekten-Imagologie auf www.under-construction.cc | research project Insect Imagology at www.under-construction.cc

Forschungsschwerpunkt Metamorphosen auf www.under-construction.cc | research focus Metamorphoses at www.under-construction.cc

projekte: A2D2A, Cyborg-Konfigurationen, Insekten-Imagologie, Metaphorologie der Medien, MEDIOLOGIEN, Metamorphosen, TechnoNaturKulturen

dachprojekte: MEDIOLOGIEN, TechnoNaturKulturen

tags: alltagskultur, alltagstechnologie, analogital, anthropologie, ästhetik, bienen, bild & imagination, biodiversität, biologie, biowissenschaften, design, digitale kultur, entomologie, esoterik, film, geschlecht, informatik, insekten, klang, kulturentomologie, kulturgeschichte, kunst & medien, kunst & wissenschaft, material, materielle kultur, medienarchäologie, medienkultur, mikromakro, modelle, modellierung, natur, naturgeschichte, netzkulturen, neurowissenschaft, populärkultur, science fiction, soziologie, spiele & spielen, technologie, topologien, utopien, visualisierung, visuelle kultur, wissen, wissenschaftsgeschichte, wissenskulturen

top

|

nach oben