2009-12-13
Im Prinzip Ja,
zumindest, wenn diese Pressemitteilung der Unternehmensberatung Porsche Consulting in den Krankenhäusern umgesetzt wird. "Es gibt Abläufe, die durch das Fließprinzip der Industrie verbessert werden können, ohne dass der Patient den Eindruck hat, er würde am Fließband behandelt", wird darin ein Klinikchef zitiert, dem es gemeinsam mit den Porsche-Beratern in seinem Luxemburger Hospital gelungen sein soll, die Auslastung des OP-Bereichs um 31 % zu verbessern.
Allerdings bezweifelt Radio Eriwan aufgrund der Berichte vieler Krankenhausärztinnen und -ärzte über die Folgen der Arbeitsverdichtung durch die Fallpauschalen den zweiten Halbsatz dieses Zitats. Zudem beklagen Ärztinnen und Ärzte es sehr häufig als belastend, dass sie auf die Organisation ihrer Arbeitsbedingungen zu wenig Einfluss haben.
Frage an Radio Eriwan: Kennst Du eine operative Klinik mit täglich 7:44h Arbeitszeit für Stationsärzte?
Im Prinzip Nein,
"Nur gut ein Viertel ihrer Arbeitszeit können Klinikmediziner ihrer Kernaufgabe – der Patientenbetreuung – widmen" entnehmen wir der PM und weiter: "Von täglich 7 Stunden 44 Minuten stehen einem Stationsarzt nur 32 Minuten für Untersuchungen und 1 Stunde 39 Minuten für Patientengespräche zur Verfügung."
Dass die Bürokratie zunehmend die Arbeitszeit der Krankenhausärztinnen und -ärzte auffrisst und ihnen Zeit für die Zuwendung zum Patienten stiehlt, wird hier wieder einmal beklemmend bestätigt. Anfragen von überlasteten Kolleginnen und Kollegen, in welcher Klinik Stationsärzte nur eine tägliche Arbeitszeit von 7:44h haben, bittet Radio Eriwan, direkt an Porsche Consulting zu richten, wir kennen sie nicht. Das halten wir nur bei Teilzeitkräften für möglich.
Frage an Radio Eriwan: Gehört Dokumentation zu notwendigen Verwaltungsarbeiten?
Im Prinzip Ja,
aber eher für Mitarbeiter der Verwaltung als für Ärztinnen und Ärzte. Radio Eriwan kann es deshalb nicht nachvollziehen, dass in der PM der Porsche Consulting 'Dokumentation – Besprechungen – Abstimmungen' in einem Umfang von 42 % der Arbeitszeit als 'Notwendige Verwaltungstätigkeiten' akzeptiert werden. Hierzu hätten wir die Bewertung des luxemburger Kollegen "Derartige Verschwendung wird man uns schon bald nicht mehr verzeihen", ursprünglich auf die Auslastung der OP gemünzt, passender gefunden.
Frage an Radio Eriwan: Ist der ärztliche Arbeitsplatz optimal gestaltet?
Im Prinzip Nein,
denn nach laut Wikipedia ermöglicht ein optimal gestalteter Arbeitsplatz ein Arbeiten ohne lange Laufwege und das ist bei Stationsärztinnen und -ärzten prinzipiell nicht möglich. "Nicht selten wechselten Assistenzärzte, auf denen häufig ein besonders hohes Leistungspensum laste, notgedrungen alle 20 Minuten ihren Arbeitsplatz" charakterisiert Porsche Consulting wohl auch zutreffend die Arbeitsbedingungen und hat damit sicher noch nicht einmal den Gang von Bett zu Bett bei einer Visite gemeint. "Das trage unter anderem zu höheren Fehlerquoten bei", lesen wir in der PM ohne eingehende Begründung und Erläuterung weiter und sehen uns mit Mutmaßungen allein gelassen. Natürlich ist es effizienter, wenn z. B. ein Arzt im OP einen Eingriff nach dem anderen vornimmt und ein anderer dafür ohne Unterbrechung die stationären Patienten betreut sowie die Voruntersuchungen vornimmt. Aber ob das die Fehlerquote senkt? Wir kennen Operateure, die möglichst nur die Patienten operieren, bei denen sie während der Voruntersuchung und dem Aufklärungsgespräch das OP-Gebiet so markiert haben, dass sie auch unter der sterilen Abdeckung ihren Patienten und das Gebiet des Eingriffs wieder erkennen. Dann hat es nicht so verhängnisvolle Folgen, wenn der Hol- und Bringedienst im Haus doppelt vorkommende Helga Müller oder Hans Schmidt in den falschen OP schieben. Den Wert einer im Workflow ineffizienten möglichst durchgängigen individuellen Betreuung eines Patienten durch den ihn kennenden Arzt ließe sich mit vielen Beispielen auch aus anderen Fachgebieten fortsetzen.
Grundsätzlich deckt sich aber der Befund der Porsche Consulting, dass "unnötiges Warten, Suchen, überflüssige Wege" , "schlechte Koordination, mangelnde Abstimmung" dazu führen, "dass Ärzte und Pflegekräfte kaum eine Aufgabe unterbrechungsfrei ausführen könnten" mit den Ergebnissen dieser Online-Befragung, über die MBHessen.de hier berichtete.
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