Nachwuchs gefragt: Knapp die Hälfte der Ärztinnen und Ärzte 50+

23 Mai, 2023 - 07:38
Bianca Freitag
Alter und junger Arzt

Der drohende Ärztemangel ist schon länger ein bekanntes Problem. Durch den demografischen Wandel ist bereits jetzt mehr als ein Fünftel aller Ärztinnen und Ärzte über 60 Jahre alt. Was das nicht nur für die Versorgungssituation bedeutet, erfahren Sie im Beitrag.

Insgesamt waren 2022 bei der Bundesärztekammer 421.252 Ärztinnen und Ärzten als berufstätig registriert. Doch gleichzeitig sind 93.482 von ihnen bereits 60 Jahre oder älter, etwa 46 Prozent älter als 50 Jahre (Ärztestatistik zum 31.12.2022). Mehr als ein Fünftel aller Medizinerinnen und Mediziner steht also kurz vor dem Ruhestand. Besonders prekär ist die Lage in ländlichen Regionen. Hier finden beispielsweise Hausätzinnen und Hausärzte, die in Rente gehen wollen, nur wenige oder gar keine Nachfolger für ihre Praxis.

Demografischer Wandel schlägt zu

Wenn man nun denkt, dass zu wenig Nachwuchs ausgebildet wird, ist die Vermutung nur zum Teil richtig. Denn im Vergleich zum Vorjahr sind es etwa 5.000 Ärztinnen und Ärzte mehr (+1,2 Prozent) und die Anzahl der Medizinstudierenden steigt auch jährlich. Doch der Nachwuchs kann die ausscheidenden Ärztinnen und Ärzte in diesem Ausmaß nicht ersetzen.

Grund dafür ist unter anderem auch der Wunsch vieler junger Ärztinnen und Ärzte nach Teilzeitmodellen, Arbeitszeitverkürzung und einer besseren Work-Life-Balance. Es sind also mehr Medizinerinnen und Mediziner notwendig, um freie Stellen in der ärztlichen Versorgung zu besetzen oder nachzubesetzen. Gleichzeitig ist ein Anstieg der Behandlungszahlen auszumachen. Im Jahr 2021 lag laut Statistischem Bundesamt die Zahl der Behandlungsfälle in Krankenhäusern bei 16,7 Millionen bei einer Bettenauslastung von 68 Prozent. Aufgrund der Corona-Pandemie wurden „planbare“ Behandlungen verschoben, weshalb die Zahl geringer ist als noch 2019. Dort wurden 19,4 Millionen Behandlungsfälle registriert. Es ist jedoch anzunehmen, dass die Gesamtzahl der Behandlungen – auch in den Arztpraxen – kontinuierlich steigen wird.

Denn die gesamte Gesellschaft und damit auch die Ärztinnen und Ärzte werden bedingt durch den demografischen Wandel älter. Das hat entsprechend negative Auswirkungen auf die Patientenversorgung – besonders auf dem Land. In Zukunft wird es beispielsweise nicht mehr in jedem Dorf eine Praxis geben können. Patientinnen und Patienten müssen dann weitere Wege in Kauf nehmen. Besonders für multimorbide Personen bedeutet das eine zusätzliche Belastung.

Mehr Studienplätze und bessere Arbeitsbedingungen

Ärztevertreterinnen und -vertreter fordern die Politik zum sofortigen Handeln auf, um die Situation zu verbessern und abzumildern. Eine Forderung ist die Erhöhung der Studienplätze in der Medizin. Auf die ca. 10.000 pro Wintersemester verfügbaren Studienplätze in der Humanmedizin kommt etwa die vierfache Zahl an Bewerberinnen und Bewerbern. Auch das Vergabeverfahren mittels Abiturbestenquote und hochschulinterner Kriterien müsse hinterfragt und verbessert werden. Darüber hinaus sei es wichtig, die Arbeitsbedingungen – gerade für junge Ärztinnen und Ärzte – wieder attraktiver zu gestalten.

15.03.2024, Niedersächsische Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung
Lüneburg

Dr. Günther Matheis, Präsident der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz, fordert zudem, dass Medizinerinnen und Mediziner wieder mehr Zeit für ihre eigentlichen Kernaufgaben in der Patientenversorgung haben müssen. Überbordende Dokumentations- und Verwaltungsarbeiten würden zur Überlastung vieler Ärztinnen und Ärzte führen, die dann noch früher aus dem Beruf ausscheiden möchten.

Rettungsanker ausländische Ärztinnen und Ärzte?

Ein Aspekt, der die medizinische Versorgung entlasten könnte, sind ausländische Ärztinnen und Ärzte, die nach Deutschland kommen. Diese Zahl hat sich jedoch in den letzten Jahren, auch wegen der Corona-Pandemie, weiter verlangsamt. 2022 lag die Zahl der Erstmeldungen von Ausländischen Ärztinnen und Ärzten etwa auf dem Niveau von 2019, also bei etwa 3.800 Personen. Die größte Zahl berufstätiger ausländischer Medizinerinnen und Mediziner kommt aus Syrien (5.639), Rumänien (4.695), Griechenland (2.972), Österreich (2.943) und der Russischen Föderation (2.763).  

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