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Auf der Suche nach dem Gold unserer Zeit. Aspekte der Auseinandersetzung mit esoterischen Traditionen in der Gegenwartskunst. Joseph Beuys und Thomas Huber

Vortrag | Lecture
II. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Ästhetik e. V., "Ästhetik an der Zeitenwende. Erkundungen zur Kunst der Gegenwart",
Universität Hannover, Hannover, 07.03.-10.03.1996 | March 7-10,

Dass der Künstler-Alchimist als betagte Formel in der Kunstgeschichtsschreibung bis heute überlebt haben soll, scheint zunächst einmal Sache eines Faches sein, das sich nur ungern von seinen Künstlermythen löst. Wer um die Wechselbeziehungen zwischen der Kunst und ihrer Wissenschaft weiß, wird allerdings feststellen müssen: Wo immer ein "Bild vom Künstler" existiert, wirkt es auch wieder in die Praxis zurück, bietet es Anlaß und Gelegenheit zu Auseinandersetzung, Kritik oder Identifikation.

Allerdings läßt sich das Kapitel "Esoterik und moderne Kunst" gerade für das 20. Jahrhundert kaum auf diese Problematik allein reduzieren. Indessen ist nämlich die Kunstgeschichte selbst auf ihren Anteil an der "Mythologie der Aufklärung" (Beat Wyss) aufmerksam geworden und hat im Zuge einer gründlichen Revision der Moderne damit begonnen, die Einflüsse der Geheimlehren auf die Künstler der internationalen Avantgarden zu eruieren. Die Erträge dieser Forschungen sind bereits jetzt evident.

So komplex sich das Beziehungsgefüge zwischen Kunst und esoterischer Überlieferung von Fall zu Fall auch darstellen mag, lassen sich dabei auch allgemeine Gründe für derlei Wahlverwandtschaften vermuten. Insbesondere die Ars Magna bietet dem Künstler nicht nur ein Gleichnis für die eigene Arbeit am Werk, sondern scheint als parallele Wissenschaft auch jene Synthese von geistigem Forschen und praktischem Handeln zu formulieren, die man für die Moderne längst verloren glaubte. Ihr Versprechen, den Weg zu umfassendem Wissen über Welt und Selbst zu weisen, trifft sich ebenso mit einem traditionellen Anspruch an Künstler und Kunst, wie ihre Bilder, mit C. G. Jung als Ausdrucksformen eines kollektiven Unbewußten verstanden, vor dem Hintergrund einer zerbrochenen Welt gemeinsame Fixpunkte signalisieren.

Als ideale Folie für dieses Identifikationsangebot erweist sich natürlich wiederum jenes Bild vom Künstler, das diesen zum Erkunder und Künder höherer Wahrheit beruft. Als Erbe des Geniemythos gerade zu Beginn des Jahrhunderts hochvirulent, scheint es im Bewußtsein prominenter Vertreter der klassischen Avantgarden noch so fest verankert gewesen zu sein, daß sich die vielbeschworene Suche nach der Weltformel nur dann als Metapher der angestrebten neuen Ästhetik lesen läßt, wenn man das entsprechende Selbstverständnis als Komplementär dieser Sprachwahl erkennt. Zwei Weltkriege und eine seit Duchamp exponentiell zunehmende Reflexion der Künstlerrolle in der Kunst konnte es indes kaum ohne Brüche überstehen. Ein beredtes Beispiel bietet der Surrealismus, der seinerzeit angetreten war, "das Märchen vom Schöpfertum des Künstlers" (Max Ernst) zu überwinden. Sicher, vorbereitet über den "Auftritt der Medien" führte sich im Zuge einer zunehmenden hermetischen Orientierung ab Anfang der vierziger Jahre auch hier der Künstler als Magier und Alchimist in romantischer Tradition wieder ein. Doch schon damals kam dieser mit jenem kräftigen Augenzwinkern daher, das auch Sigmar Polkes Befehlsgehorsam "Höheren Wesen" gegenüber begleitet.

Wie stellt sich die Situation in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts dar? Ist die Rede vom Künstler als Magier und Alchimisten post-modern endgültig zur leeren Formel geronnen oder läßt sie sich noch immer mit Inhalten füllen? Unter welchen Vorzeichen erscheinen Magie und Ars Magna heute in der Kunst?

Diesen Fragen soll anhand exemplarischer Arbeiten zweier zeitgenössischer Künstler nachgegangen werden, die ich zunächst am Schmelzofen des Alchimisten und sodann bei der Herstellung von Seife beobachten will. Was die Künstler und ihre Tätigkeiten miteinander und all dies mit dem Verhältnis von esoterischer Tradition und moderner Kunst zu tun haben soll, hoffe ich Ihnen in meinen folgenden Ausführungen näher bringen zu können.

projekte: Kunst der Verdunklung, Künstler-Bilder, Künstler - Magier - Alchemisten, [IN]VISIBILIA, It's Magic!

dachprojekt: [IN]VISIBILIA

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