2014-09-01, aktualisiert: 2025-03-23
Im Prinzip Ja,
so jedenfalls wird Ralf Stegner, einer der sechs stellvertretenden Vorsitzenden der Bundes-SPD, derzeit in vielen Medien zitiert, z.B.: "Spartengewerkschaften schaden den Arbeitnehmern. GDL und Cockpit sind klare Beispiele dafür, dass Arbeitskampfmaßnahmen nicht allen Beschäftigten der Branche nützen." (Quelle inzwischen im Netz nicht mehr erreichbar). Gemeint hat Stegner die Spartengewerkschaften Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer01 und die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC)02.
Auch Radio Eriwan differenziert zwischen Schaden und fehlendem Nutzen.
Frage an Radio Eriwan: Sind GDL und Cockpit klare Beispiele dafür, dass Arbeitskampfmaßnahmen nicht allen Beschäftigten der Branche nützen?
Im Prinzip Ja,
denn grundsätzlich gilt ein Tarifvertrag nur für die Mitglieder der abschließenden Gewerkschaft, egal ob Sparten- oder Branchengewerkschaft. Auch die IG Metall, die Radio Eriwan mit Respekt für die stärkste Branchengewerkschaft hält, schaffte es nicht, dass die Errungenschaften, die sie für ihre Mitglieder verhandelt und erkämpft hat, allen Arbeitnehmern der Metallbranche zu Gute kamen: Firmen verließen einfach den Arbeitgeberverband oder wurden nicht Mitglied und entzogen sich damit dem Tarifvertrag oder stellten Leiharbeiter ein, für die schlechtere Arbeitsbedingungen galten, und und und …(Quelle inzwischen im Netz nicht mehr erreichbar).
Auch die großen Branchengewerkschaften Verdi und GEW wurden Opfer von Tarifflucht: Das Land Hessen verließ 2004 die Tarifgemeinschaft der Länder (TdL), gehört ihr bis heute nicht mehr an 03 und ordnete die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten einseitig "nach Gutsherrenart" an (Quelle inzwischen im Netz nicht mehr erreichbar).
Frage an Radio Eriwan: Schaden Spartengewerkschaften den Arbeitnehmern?
Im Prinzip Nein,
z.B. gelang es der Spartengewerkschaft Marburger Bund (MB), Landesverband Hessen, durch ihre Stärke 2006 das Land Hessen an den Verhandlungstisch zu holen und einen Tarifvertrag für die Ärztinnen und Ärzte abzuschließen. Damit war die Blockade durchbrochen: Später verhandelte das Land auch mit Branchengewerkschaften und Verdi hat dann die Regelungen des MB Hessen für Ärztinnen und Ärzte 1:1 übernommen.
Auf Bundesebene setzte die Ärztegewerkschaft MB mit langen Streiks einen Tarifvertrag mit der Vereinigung kommunaler Arbeitgeber durch, in dem u.a. die Sonderformen der Arbeit (Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft) so geregelt wurden, dass die Patienten durch weniger Übermüdete versorgt werden konnten. Die vom MB erkämpften Errungenschaften wurden dann auch in einem Tarifvertrag mit Verdi für die Pflegekräfte übernommen04.
Die Vorstellung, z.B. eine Aktiengesellschaft als Arbeitgeber sähe einen festen Betrag vor, den sie ihren Arbeitnehmern als Gehaltserhöhung zu Gute kommen lassen will, einen Kuchen gewissermaßen, von dem andere Beschäftigte zu wenig abbekommen, wenn eine mächtige Spartengewerkschaft sich ein größeres Stück abgeschnitten hat, greift zu kurz. Eine AG ist verpflichtet, für ihre Aktionäre möglichst viel Profit zu erwirtschaften. Sie wird jedem Beschäftigten nur das geben, was sie ihm zumisst oder sie für die Mitglieder einer Gewerkschaft aufgrund eines Tarifvertrages zahlen muss. In der Auseinandersetzung mit solchen Arbeitgebern ist jede Gewerkschaft für ihre Mitglieder verantwortlich. Keine kann der anderen etwas wegnehmen. Arbeitnehmern schadet lediglich, wenn es in einer Konkurrenzsituation zu einem Unterbietungswettbewerb kommt05. Diesen Vorwurf kann Radio Eriwan den hier angesprochenen Spartengewerkschaften nicht machen.
Letzte Überprüfung: 2025-03-23
01 https://www.gdl.de/ | www.kuni.org/to/hRPRT
02 https://www.vcockpit.de/ | www.kuni.org/to/h9tRT
03 https://www.tdl-online.de/schwerpunkte/tarifverha
ndlungen | www.kuni.org/to/7dDR
04 https://www.kuni.org/h/neues/beitrag/89 | www.kuni.org/to/7fCR
05 https://www.boeckler.de/de/faust-detail.htm?sync_
id=HBS-004947 | www.kuni.org/to/7BLR