2015-06-03
Im Prinzip Nein,
wenn Hans-Werner Sinn, Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft, Präsident des ifo Instituts, mit seiner Kolumne "Wider die Spartengewerkschaften – Streik als volkswirtschaftliches Risiko" recht hat01: "Spartengewerkschaften schädigen nicht nur die Arbeitgeber und die Kunden der Betriebe, sondern letztlich auch die dort beschäftigten Arbeitnehmer. Deshalb haben sie aus ökonomischer Sicht keine Daseinsberechtigung – egal, was das Rechtssystem dazu sagt."
Sinn, bereits 2009 Preisträger des NABU (Naturschutzbund Deutschland)02, sorgt sich um die Allmende: "Aus ökonomischer Sicht lässt sich die Aggressivität der Spartengewerkschaften aus dem sogenannten Allmende-Problem ableiten. Die Allmende, also die Dorfwiese, die allen gehört, wird überweidet, wenn jeder Bauer selbst darüber entscheiden darf, wie viel Vieh er dort hintreibt. Im Endeffekt führt die Zerstörung der Grasnarbe dazu, dass die Wiese weniger Gras produziert, als wenn sie nur von einem Bauern bewirtschaftet würde. Auch Gewerkschaften, die nur für bestimmte Berufsstände verhandeln, "überweiden" den Betrieb, um im Bild zu bleiben, und unterminieren seine Wettbewerbsfähigkeit."
Frage an Radio Eriwan: Schädigt denn die Spartengewerkschaft Marburger Bund die Arbeitgeber?
Im Prinzip Nein,
gegen diese Vermutung spricht, dass viele Arbeitgeber damit werben, einen Tarifvertrag mit dem Marburger Bund (MB-TV) zu haben, oder damit, dass sie sich an einem MB-TV orientieren.
Frage an Radio Eriwan: Schädigt denn die Spartengewerkschaft Marburger Bund die "Kunden der Betriebe"?
Im Prinzip Nein,
nachdem der MB in wochenlangen Streiks (notwendig ausschließlich gegen staatliche und kommunale Arbeitgeber) aufgrund der Geschlossenheit und Solidarität der Ärztinnen und Ärzte Kampfbereitschaft und Stärke bewiesen hatte, wurden inzwischen sehr viele MB-TV ohne Kampfmaßnahmen abgeschlossen. Auch hatte der MB während notwendiger Streiks für die Patientinnen und Patienten bestreikter Kliniken einen Notdienst organisiert.
Da Kliniken mit MB-TV in der Lage sind, qualifizierte Ärztinnen und Ärzte zu gewinnen und zu halten, profitieren vor allem die "Kunden der Betriebe".
Frage an Radio Eriwan: Schädigt denn die Spartengewerkschaft Marburger Bund "letztlich auch die dort beschäftigten Arbeitnehmer"?
Im Prinzip Nein,
unter der Voraussetzung, dass Sinn damit die nicht in der Spartengewerkschaft organisierten Arbeitnehmer meint: Obwohl jeder TV zunächst nur für die Mitglieder der abschließenden Gewerkschaft zwingend gilt, wenden die tarifgebundenen Arbeitgeber den MB-TV auf alle Ärztinnen und Ärzte an, ohne sich an einer Mitgliedschaft im MB zu orientieren. Davon profitiert also auch die Minderheit, die (noch) nicht Mitglied in der Ärztegewerkschaft Marburger Bund ist.
Vom MB innovativ ausgehandelten Bestimmungen, die auch für andere Sparten (Pflegepersonal und med.-techn. Dienst) bedeutsam sind, z.B. zum Bereitschaftsdienst und zur Rufbereitschaft, konnten nicht selten von den dafür zuständigen Gewerkschaften in ihre Tarifverträge übernommen werden.
Und was letztlich alle Arbeitnehmer einer Klinik anbelangt: Ohne einen MB-TV und seine positiven Auswirkungen auf den Personalbestand hat eine Klinik in der aktuellen Konkurrenz einen besonders schweren Stand.
Letzte Überprüfung: 2019-07-18
01 https://www.risknet.de/themen/risknews/streik-als
-volkswirtschaftliches-risiko | kuni.org/to/bdDb
02 http://de.wikipedia.org/wiki/Dinosaurier_des_J
ahres | kuni.org/to/bpcb